Montag, 21. November 2011

Das gemeinsame Sorgerecht – Wohl oder Übel?

Aufgrund des aktuellen Beschlusses des Bundesrates, der künftig das gemeinsame Sorgerecht bei Trennung oder Scheidung zum Regelfall machen will, habe ich beschlossen ebenfalls noch einmal etwas zu dem Thema zu schreiben.

Um es als gleich vorweg klarzustellen, ich stehe der Einführung des gemeinsamen Sorgerechts in der Schweiz mehr als nur ein wenig skeptisch gegenüber. Liebe Väter, reisst mir jetzt nicht gleich den Kopf ab! Natürlich verstehe ich die Beweggründe der Väterorganisationen, die sich dafür eingesetzt haben und die Grundzüge sind auch keineswegs schlecht, trotzdem wage ich es einige kleine Denkanstösse dazu anzustellen.

Sorgerecht und Sorgepflicht – das Ungleichgewicht zwischen den Elternteilen

Aus rein logischer Betrachtungsweise müsste ein gemeinsames Sorgerecht auch die Wahrnehmung derselben Pflichten beinhalten. Dies ist allerdings zwangsläufig nur in den seltensten Fällen auch nur annähernd möglich. Weitaus häufiger hat der Vater seine Kinder lediglich jedes zweite Wochenende für ein oder zwei Tage bei sich und verbringt vielleicht einmal jährlich zwei Wochen Ferien mit ihnen. Den meisten reicht dies auch, ist die Kindererziehung doch anstrengend und zeitaufwendig. Nur wenige bemühen sich aufrichtig ihren Nachwuchs häufiger zu Gesicht zu bekommen. Vorgeschoben werden Zeitmangel aufgrund des Berufes und privater Aktivitäten. Vergessen wird hierbei gerne, dass der Grossteil der alleinerziehenden Mütter ebenfalls Erwerbstätig ist, denn Alimente sind höchst selten für den Lebensunterhalt von mehreren Personen ausreichend (sofern sie den überhaupt entrichtet werden). Eigene Interessen müssen da auf jeden Fall hinten angestellt werden und nicht bloss am Wochenende, falls es den der Terminkalender gerade erlaubt. 

Die böse Mutter, die dem Vater die Kinder vorenthält…

Dies ist wohl das verbreitetste Argument der Befürworter eines automatischen gemeinsamen Sorgerechts. Ich wage es nicht zu leugnen, dass es solche Fälle tatsächlich gibt. Ohne Frage, ist dies dem Vater gegenüber ungerecht und dürfte eigentlich nicht sein, zumindest nicht grundlos! Doch würde das gemeinsame Sorgerecht tatsächlich etwas daran ändern?
Ich wage es schwer zu bezweifeln. Bereits mit dem heute geltenden Recht, wird jedem Vater automatisch ein Umgangsrecht eingeräumt. Wird ihm dieses nicht gewährt, hat er seit jeher die Möglichkeit gerichtlich dagegen vorzugehen. Es ist gar so, dass gewichtige Gründe die gegen den Kontakt zwischen Vater und Kindern sprechen, erst von der Mutter bewiesen werden müssen, um ein begleitetes Besuchsrecht des anderen Elternteiles zu erwirken. Folglich würde sich mit dem gemeinsamen Sorgerecht daran rein gar nichts ändern. 

Gemeinsames Sorgerecht – eine gute Idee, die sich nur schlecht umsetzen lässt

Natürlich spricht grundsätzlich nichts gegen ein gemeinsames Sorgerecht. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei den betroffenen Eltern, um zwei vernünftige Erwachsene handelt, die auch nach der Trennung im Stande sind sachlich miteinander zu reden. Dies sind jedoch idealistische Vorstellungen, die kaum etwas mit der Realität zu tun haben. Ich selbst bin diesen einst aufgesessen und musste schmerzhaft erfahren, dass die Tatsachen anders aussehen. Sträubt sich einer gegen die Zusammenarbeit, bietet das gemeinsame Sorgerecht vielmehr die Möglichkeit einer ausgedehnten Schlammschlacht, welche nicht nur die Zeit, sondern auch die Nerven des erziehenden Elternteils unnötig strapaziert. Und schlussendlich sind die Leidtragenden einmal mehr die Kinder.

Weitere interessante Artikel zum Thema:

- Rechte von Alleinerziehenden in der Schweiz
- Die Situation alleinerziehender Mütter in der Schweiz



PS: Selbstverständlich gilt dasselbe auch immer für den umgekehrten Fall. Einem Vater, der sich weitgehend alleine um seinen Nachwuchs kümmert, gebührt ebenso das alleinige Sorgerecht, wie im erwähnten Fall der Mutter.

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