Montag, 13. Februar 2012

Das Glashaus oder Ewig lockt die Zeitung des Anderen

Einmal mehr wartete ich heute mehr oder weniger geduldig im Wartehäuschen auf den verspäteten Zug. Dicht an dicht drängten sich immer mehr Leute in den spärlich beheizten Glaskasten, der trotz frostigem Durchzug und Überfüllung noch immer die bessere Alternative zum Warten in der Eiseskälte ganz im Freien darstellte. 

Mit jedem Knall der alles anderen als Sachte zufallenden Tür, zuckte nicht nur der frisch Eingetretene unweigerlich zusammen, sondern auch alle bisherigen Insassen des Glashauses rückten ein weiteres Stückchen zusammen. Schon bald trennte schliesslich nur noch eine handbreit den vor Kälte Bibbernden von dem Zitternden zur Linken und dem Schlotternden auf der rechten Seite. 

Gerade als die gesamte Meute der Zusammengepferchten hoffnungsvoll der Lautsprecherdurchsage lauscht, die von irgendwo durch das undichte Glas schalt, erhebt sich ein weiteres Geräusch über die leisen Worte. Direkt neben mir kramt eine ältere Dame unter Winden und mit lautem Geraschel ihre Zeitung aus dem Handtäschchen. Nicht weniger laut – und es ist beachtlich, wie viel Lärm durch eine einfache Zeitung entstehen kann in einem Raum voller schweigender Gestalten – beginnt sie diese kurz darauf zu entfalten. Selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht um eine handliche Pendlerzeitung, wie sie früh morgens jeder zweite bei sich trägt, sondern um eine der „seriösen“ Tageszeitungen, die sich insbesondere durch ihr exorbitantes Format auszeichnen. 

So landet die Hälfte einer Zeitungsseite auf dem Schoss des Banknachbarn zur Rechten der Dame, und auch ich kriege meine Ecke ab. Etwas verstohlen blicke ich mich um, schliesslich liest man nicht in der Zeitung des Nachbarn mit. Scheinbar interessiert betrachtete ich die Bahnhofsuhr, die mir bloss anzeigte, dass ich nun bereits zehn endlos erscheinende, saukalte Minuten hier verbrachte. Dann wanderte mein Blick im Glashaus selbst umher. Mein Gegenüber sass vornüber gebeugt da und studierte die Rückseite der Zeitung. Seine beiden Sitznachbarn taten es ihm etwas weniger auffällig gleich. Ein Blick zur Seite zeigte mir, dass auch der direkt neben der Frau sitzende Herr sich verstohlen einem Artikel in dem Tagblatt widmete. 

Und schliesslich wanderten meine Augen weiter zur Zeitung selbst. 
Was stand denn da? Das hörte sich ja ganz interessant an. 
Und ehe ich mich versah, las auch ich klammheimlich mit. 


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